"Blick auf den Venus-Tempel in Baja" und "Blick auf den Lago d´Averno mit den Ruinen des Proserpina-Tempels" Christoph Heinrich Kniep (1755 - 1825)

Blick auf den Venus-Tempel in Baja
Feder und Pinsel in Braun über Bleistift
Bez. unten links „C. H. Kniep. Napoli 1787“. Beschriftet auf dem Passepartout oben links „I. Ruines du temple de Venus a‘ Baiae par Kniep“
H. 60 cm, B. 81,5 cm

Blick auf den Lago d’Averno mit den Ruinen des Proserpina-Tempels
Feder und Pinsel in Braun über Bleistift
Bez. unten links „C. Kniep Napoli“. Beschriftet auf dem Passepartout oben links „2. Ruines du Temple de Proserpine au Lac Averne par Kniep“
H. 60 cm, B. 81,5 cm

Description

Christoph Heinrich Kniep begann seine Laufbahn 1778 als Portraitzeichner in Hamburg. 1780 begab er sich nach Berlin, wo er den kunstliebenden Fürstbischof und Schriftsteller Ignacy Krasicki (1735-1801) kennenlernte; dieser ermöglichte ihm eine Reise nach Rom, wo Kniep 1781 eintraf. Spätestens hier wechselte Kniep zur Landschaftsmalerei. In Rom freundete der Künstler sich 1783 mit Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (1751-1829) an, durch dessen Vermittlung er u. a. die Maler Johann Georg Schütz (1755-1813) und Friedrich Bury (1763-1823) kennenlernte. Auch Jakob Philipp Hackert (1737-1807), der berühmteste Landschaftsmaler in Rom, gehörte zu seinen Bekannten. Da die Finanzierung durch Krasicki kurze Zeit nach seiner Ankunft in der Ewigen Stadt endete, war Kniep darauf angewiesen, seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Ein Unterfangen, das ihm ob der Beschränkung auf die Technik der Zeichnung und seiner langsamen Arbeitsweise offenbar weniger gut gelang als seinen Kollegen Hackert und Tischbein.

Im Oktober 1785 verließ Kniep Rom und siedelte nach Neapel über, wo er bis an sein Lebensende blieb. Hier lebten und arbeiteten in den 1780er Jahren diverse deutschsprachige Künstler, die von Ferdinand IV. und seiner habsburgischen Gattin Maria Carolina von Österreich beschäftigt wurden.

Im kulturellen Zentrum Süditaliens lernte Kniep 1787 durch Tischbein Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) kennen, mit dem er im Frühjahr selbigen Jahres eine knapp sechswöchige Sizilien-Reise unternahm, die am 15. Mai 1787 ihr Ende fand. Diese Bekanntschaft war für Knieps Karriere maßgeblich, erwarb Goethe doch alle Zeichnungen dieser Reise und vermittelte auch nach seiner Rückkehr nach Weimar Aufträge an den Künstler. Anna Amalia selbst, die sich, inspiriert durch Goethes Erfahrungen während seiner Italienreise, 1788 auf den Weg nach Rom und Neapel machte, akquirierte ebenfalls Zeichnungen Knieps.

Zu Knieps Klienten zählten darüber hinaus auch neapolitanische Adelige wie z. B. Leonardo Tocco di Montemiletto, der ein bedeutendes Album mit Zeichnungen des Künstlers besaß.Francesco Maria Berio, Marchese di Salza (1765-1820) widmete Kniep eine Zeichenschule mit dem Titel „Elementi di Paesaggio“.

Christoph Heinrich Kniep lebte und arbeitete über dreißig Jahre an der Riviera di Chiaia in Neapel. 1822 wurde ihm ein Amt als Professor im Zuge der Neuordnung der Kunstakademie verliehen, doch ohne Gehalt. Sein Alter verbrachte er allein und zurückgezogen in eher dürftigen Umständen.
Kniep starb im Juli 1825 nach einer schweren Krankheit. Er ist auf dem Friedhof der Protestanten bei S. Carlo all’Arena in Neapel bestattet.

Von Christoph Heinrich Kniep sind keine Ölgemälde bekannt. Seine Landschaftszeichnungen stehen stilistisch denjenigen Jakob Philipp Hackerts nahe, wenn sie auch genauer ausgearbeitet und mit Figuren bereichert sind, die Knieps gründliches Studium antiker Vasenmalerei erkennen lassen. Während seiner in Neapel verbrachten Jahre fertigte der Künstler zum einen eine Vielzahl von Veduten an, zum anderen widmete er sich häufig der idealen Landschaft mit antiken Monumenten und Figuren im antikischen Stil.
 
Die beiden hier vorliegenden Zeichnungen entstanden der Datierung eines der Blätter zufolge 1787, dem Jahr von Knieps Bekanntschaft mit Goethe. Das erste Blatt zeigt den Venus-Tempel in Baja, ursprünglich wohl Teil einer Thermen-Anlage, und dahinter das „castello Aragonese“ aus dem 15. Jahrhundert. Die im Wasser zu sehenden Schiffe verweisen auf den Hafen Bajas. In der Ferne ist der Monte Epomeo der Insel Ischia zu ahnen. In der zweiten Zeichnung erblickt man die Ruinen des Proserpina-Tempels (auch bekannt als Apollo-Tempel und ebenfalls Teil einer Thermen-Anlage) am Lago d’Averno, der im Gebiet der Campi Phlegraei einen erloschenen Krater füllt. Im Hintergrund erscheinen die Hügel von Cuma. In beiden Fällen handelt es sich um populäre Orte, die von den Bildungsreisenden besichtigt und häufig von Landschaftsmalern dargestellt wurden. Knieps Ansichten zeichnen sich durch große Detailgenauigkeit aus; selbst die Einzelheiten der Motive im Hintergrund wie z. B. das Kastell von Baja oder die waldigen Hügel von Cuma lassen sich genau erkennen. Während die Figuren der Ansicht des Averner Sees unauffällig in die Landschaft eingebunden sind, erscheinen der Hirte und die neben ihm stehende Frau des Pendants in prominenter Stellung und verraten Knieps intensives Figurenstudium; vor allem die in elegantem Kontrapost verharrende Frau dokumentiert die Meisterschaft des Zeichners.

Christoph Heinrich Knieps sehr sorgfältig ausgeführte Zeichnungen bestechen durch ihren Detailreichtum und ihre Meisterschaft in der Wiedergabe der Vegetation sowie der Figuren. Die beiden vorliegenden Blätter entstanden auf dem Höhepunkt seiner Tätigkeit als Vedutist, zu einem Zeitpunkt, als der Künstler durch die beglückende Begegnung mit Goethe und die sich daraus ergebenden Aussichten auf Bildaufträge voller Schöpferkraft und von positiver Lebenseinstellung war. Und wenn auch seine langsame Arbeitsweise, die bei Auftraggebern wie Zunftgenossen Ungeduld und Unwillen hervorrufen konnte, ihm beim energischen Vorantreiben seiner Karriere behinderlich war, so führte sie doch zu Zeichnungen von hervorragender Bildqualität und großer Schönheit, wie auch unsere beiden Veduten belegen.

Provenance

Die Zeichnungen stammen aus der Sammlung Carlo Knight, Neapel. Davor befanden sie sich im englischen Kunsthandel (1986)

Literature

Ausst.-Kat. Neapel 1990,S. 404 und Abb. S. 246, 250; Striehl 1998, Kat.-Nr. 580, 581 und Abb. 180, 177

Eine Expertise von Frau Dr. Claudia Nordhoff liegt vor.

REF No. 209